Review: “When Traces End” von ARCTIC SUNRISE

Arctic Sunrise, When Traces End

ARCTIC SUNRISE zweites Album “When Traces End”

Über die Band

ARCTIC SUNRISE ist ein Synthpop-Duo aus Mönchengladbach. Anstatt das Syntpop-Rad neu zu erfinden, fokussieren sich Torsten Verlinden und Steve Baltes mehr auf guten Retro-Sound, der durchaus auch mal aus einem alten Sowjet-Synthesizer kommen darf. Und auch sonst verzichten die beiden größtenteils auf den Einsatz des Computers. Da Steve ein leidenschaftlicher Sammler von analogen Hardware-Instrumenten aus den 80ern ist, ist es ein leichtes für sie, darauf zurück zu greifen.

Das Album

Player an und neugierig zurücklehnen. Und große Augen machen. Sofort vertraute Klänge, so wie früher halt, als der Synthpop seine absolute Hochzeit erlebte. SILENT TEARS nimmt mich sofort mit auf eine melodische Zeitreise in die Klangwelt wie ich sie von Camouflage oder auch Depeche Mode her kenne. Ein treibender Rhythmus und diese angenehm warme Stimme machen schon beim ersten Song klar: ich werde diese Rezension höchstwahrscheinlich nicht bereuen. Nun…. Hören wir weiter.

In TELL ME THE TRUTH erleben wir eine tolle Symbiose von Drums und Synth. Hier wird ganz deutlich, dass Depeche Mode die beiden wohl sehr geprägt haben muss, ohne dass der Song jetzt als Abklatsch zu werten wäre. Überhaupt nicht. Geheimsnisvoll und ein Stück weit unerwartet ruhig läuft MINE FOREVER an. Dieser Song gewährt einen Einblick in die tiefsten Abgründe eines Serienkillers. Bewundernswert finde ich die gesangliche Balance zwischen Fordern, Locken aber auch Sehnsucht und diesem gewissen unterschwelligen Bösen. Dieses Lied fasziniert mit seiner Fülle an Emotionen. Deutliche hellere Klänge erwecken mich wieder zum Leben, ein einsetzender Sprechgesang macht munter. CHANGING läuft an. Und hier haben wir neben dem Opener einen weiteren Song, den ich mir sehr gut zu verschwitzt tanzenden Mengen in den Clubs vorstellen kann.

LET IT RAIN beginnt ruhig und nachdenklich, nimmt dann im Refrain kurz Fahrt auf um dann insgesamt entspannt und unaufgeregt dahin zu fließen. Ein klein wenig kommt Nova-Feeling (VNV Nation) auf. Wohlig vertraut klingt auch OVER ME, wenngleich der Song klanglich heraus sticht.  Hier fehlt eine fließende Melodie, dieses sphärische was bisher irgendwie immer in den Songs zu finden war. OVER ME wirkt wirklich bitter – arktisch – kalt. Auf eine tolle Art und Weise.

Frisch aus den 80ern unverbraucht aufgetaut erscheint FOREVER YOURS. Sehr gemächlich erklingt eine Mixtur aus hohen, wohlig warmen synthetischen Klängen zusammen mit echt kühlen, deutlich tieferen Gegenspielern. Tauchen wir in den melodischen Refrain ein, verwöhnen wärmere, weichere Klänge  wie eine angenehme Dusche. Ein wunderschönes Lied, dass ich nach OVER ME so absolut nicht erwartet hätte.

Kommen wir zum Namensgeber. WHEN TRACES END hätte ich tatsächlich auch anders erwartet. Vielleicht bin ich auch nur verwöhnt, aber ich mag ja Hmynen als Titeltracks. Und jetzt bin ich doch hin und her gerissen. Ja, der Song ist toll, klingt gut, sauber abgemischt, auch absolut in die Albumstruktur passend. Und doch fehlt mir da diese Melodie, oder sei es nur ein knalliger Refrain der mich mitreißt und mir für immer in die Ohren brennt, dass ich gerade DEN Track von einem wundervollen Album höre.

Auf dem richtigen Weg diesbezüglich ist übrigens A LIFETIME TO DISAGREE. Anfänglich jagt mir das Lied einen kleinen Schauer über den Rücken, da er doch recht kühl und stellenweise ziemlich puristisch erscheint. ARCTIC SUNRISE geizen hier mit Klängen, um sie dann im Refrain viel deutlicher zur Geltung kommen lassen zu können. THE END OF THINGS macht gleich von Beginn an Spaß, erinnert mich in den ersten Gesangssekunden kurz an Herrn Heppner. Und – JUHU – da ist er wieder…. ein absolut nicht hektischer und dennoch mitreißender Refrain. Inzwischen überrascht es mich nicht mehr, dass ARCTIC SUNRISE überraschen wollen. YOUR EYES beginnt mit einem gut 45 Sekunden langen sphärischen Klanggeflecht als Intro. Dann setzt diese warme wohlige Stimme wieder ein, kommt in diesem Lied aus meiner Sicht auch am besten zur Geltung. Irgendwie scheint YOUR EYES alle Facetten der Band aufzeigen zu wollen. Minimalistisch beginnen und mit dem Ziehen aller Register, inklusive dem bisher wirklich sehr geizigen Einstreuen von Effekten enden wollen. Ich stelle mir Torsten Verlinden und Steve Baltes beim Aufnehmen des Songs im Studio vor. Mit hämischen Grinsen und einem „…und jetzt zeigen wir es ihnen noch mal so richtig!“

Fazit

Es gibt tatsächlich nichts, was es nicht gibt. Ein Album ohne für mich erkennbaren roten Faden und ich bin sogar dankbar dafür. WHEN TRACES END hat mich an vielen Stellen wirklich überrascht. Nicht eine Stelle, deren Hören ich bereut hätte. Die Songs ähneln sich nur recht selten und wenn dann auch nur kurz. Aber irgendwelche wiederkehrenden Bausteine konnte ich nicht heraus hören. Im Gegenteil. Alles klingt mit viel Elan und Phantasie arrangiert. Den klanglichen Feinschliff übernahm wieder Steffen Müller. Was soll ich sagen? Rundum ein absolut gelungenes Album, welches ich jedem Synthpop-Liebhaber nur an die Ohren legen kann.

Tracklist

1 Silent Tears 03:38
2 Tell The Truth 04:30
3 Mine Forever 04:51
4 Changing 03:23
5 Let It Rain 03:35
6 Over Me 03:48
7 Forever Yours 03:41
8 When Traces End 03:48
9 A Lifetime To Disagree 03:45
10 The End Of Things 03:21
11 Your Eyes 04:46

Line-Up

Gesang – Torsten Verlinden
Keys – Steve Baltes

https://www.facebook.com/wearearcticsunrise/

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